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Puroresu Guide
Ihr seid mit dem japanischen Wrestling noch nicht so vertraut und wollt deshalb eure Kenntnisse etwas aufpolieren? Dann seid ihr beim "Japan Beginner's Guide" genau richtig! Nachfolgend findet ihr viele wissenwerte Informationen, wie alles begann, welche die wichtigsten Organisationen sind, wie die japanischen Ligen im TV vertreten sind, weshalb die Championship Gürtel derart wertvoll sind, und einiges mehr!
1. Puroresu, was ist das?
Puroresu, "purofesshonaru resuringu" um genau zu sein, bedeutet Pro-Wrestling aus Japan. Erstmals tauchte der Begriff in der Zeit um 1990 auf, als "Great Hisa" Hisaharu Tanabe (www.puroresu.com) begann den Begriff im Internet zu verbreiten. Puroresu ist eine athletischere, realistischere Form des Wrestlings, bei der wenig Wert auf Showeinlagen gelegt wird. Viel mehr zählt das Geschehen im Ring. Deshalb wird man kaum knapp bekleidete weibliche Ringbegleitungen sehen, auch ausgedehnte Interviewsegmente im Ring sind so gut wie nicht existent. Fehden werden nicht auf Belanglosigkeiten aufgebaut - wie oft in den USA -, sondern drehen sich um Ehre, Stolz und auch oftmals um die Beschützung der Heimatpromotion vor Angreifern anderer Organisationen. Im Gegensatz zu Shows in den USA besteht eine Wrestling Show in Japan beinahe ausschließlich aus Wrestling Kämpfen, das ganze Drumherum, das mittlerweile zum Wrestling in den USA dazugehört, sucht man vergeblich. Puroresu besteht allerdings nicht nur aus realistischem, intensiven Kampf. In den 90er Jahren wurden duzende Independent Organisationen wie Toryumon, DDT, WEW, Hustle oder Osaka Pro geformt, die sich stark am westlichen Wrestling orientieren. Längere Interviews im Ring, lustige Comedy Segmente und abgefahrene Storylines sind seither fester Bestandteil der japanischen Indy-Szene - und somit auch des Puroresu.
Schon viele Hundert Jahre vor Christus waren verschiedene Formen des Kampfsports Teil der japanischen Kultur. über die Jahrhunderte hinweg sollten frühe Formen des Grapplings und des Sumo Fragen der Landverteilung klären oder dienten zur Unterhaltung der regierenden Familien. Der erste japanische Pro-Wrestler war Sorakichi Matsuda, der Japan 1883 verließ, um in die Vereinigten Staaten zu gehen. Ihm folgte Shokichi Hamada (im Sumo-Wrestling als Sangokuyama bekannt). Allerdings konnte keiner der damaligen Wrestler den Sport zu großen Erfolgen führen. Auch eine der ersten japanischen Pro-Wrestling Organisationen, Japan Pro-Wrestling Alliance, welche 1939 von Hikoo Shoji, Kiyoshi Kato und anderen Judokas gegründet wurde, fand bei den Japanern keinen Anklang. Es sollte der Koreaner Kim Sin-Nak sein, der Pro-Wrestling zu einer der größten Sportarten Japans machte. Unter dem Namen Rikidozan gründete er am 30.07.1953 die JWA (Japan Pro Wrestling Alliance), die erste japanische Full-Time Pro-Wrestling Organisation, welche die erste große Boomphase des japanischen Wrestlings auslöste. Rikidozans Aufstieg zum größten Superstar der damaligen Zeit war eng mit dem Verlust des 2. Weltkrieges verknüpft. Rikidozan nahm es mit allen Ausländern auf, die sich ihm in den Weg stellten, um den Stolz und die Ehre des japanischen Volkes zu verteidigen, was ihm in der Nachkriegszeit Verehrung und Bewunderung einbrachte. Im Jahr 1954 folgten zwei weitere Wrestling Organisationen. All Japan Pro-Wrestling Alliance, welche am 14.03.1954 von Toshio Yamaguchi in Osaka gegründet wurde, und die bekanntere IWE (International Pro-Wrestling Force), die von Masahiko Kimura am 10.05.1954 in Kumamoto ins Leben gerufen wurde.
3. Wie heißen die wichtigsten Promotions? Die wichtigsten Promotions der heutigen Zeit sind NJPW (New Japan Pro-Wrestling), NOAH (Pro-Wrestling NOAH) und AJPW (All Japan Pro-Wrestling). Entscheidend für die Entwicklung des Puroresu waren zudem FMW (Frontier Martial-Arts Wrestling) und die verschiedenen UWF Promotions, die in den 80er und 90er Jahren enorme Erfolge verbuchten. Die Gründer von New Japan und All Japan waren Antonio Inoki und Shohei "Giant" Baba, die 1960 von Rikidozan verpflichtet wurden. Beide debütierten nur 5 Monate nach ihrer Verpflichtung und sollten in den kommenden Jahren Erfolge als legitime Nachfolger Rikidozans einheimsen. Inoki hatte jedoch schon früh andere Pläne und gründete 1966 seine eigene Promotion, Tokyo Pro-Wrestling. Die treibende Kraft bei dieser Neugründung war Toyonobori, einer der Stars der JWA. Die Promotion sollte sich jedoch nicht lange über Wasser halten, da Inoki schon 1967 zu JWA zurückkehrte. Inoki strebte diese eigene Promotion an, nachdem er bei der JWA nicht über die Rolle des drittwichigsten Wrestlers hinauskam (nach Baba und Toyonobori). Um sein Vorhaben zu realisieren, schloß sich Inoki mit Hisashi Shinma, Hiro Matsuda und dem Olympioniken Masa Saito zusammen, mit denen er auch in den danach folgenden Jahren viel zusammenarbeiten sollte. Zurück in der JWA waren Inoki & Baba wieder vereinigt und knüpften zusammen an ihre vorherigen Erfolge an. Doch 1971 gab es erneut Probleme, als Inoki einen Kampf um den von Baba gehaltenen NWA International Heavyweight Title forderte. Die Offiziellen der JWA waren der Meinung, dass es für einen Titelkampf der beiden zu früh sei und lehnten Inokis Bitte ab. Zur selben Zeit enstand ein sehr viel größeres Problem, welches letztlich zum Auschluß Inokis aus der JWA führen sollte. Inoki und Baba planten die restlichen Wrestler der JWA auf ihre Seite zu ziehen um so die Kontrolle der Promotion von Präsident Junzo Hasegawa zu übernehmen. Dieser Versuch scheiterte, woraufhin Baba als Top Star der Promotion mit einem blauen Auge davonkam, Inoki aber als Schuldiger ausgemacht und schlußendlich aus der Liga verbannt wurde. Nur drei Monate später (am 06.03.1972 im Ota Ward Gymnasium in Tokyo) hielt er unter dem Banner von New Japan Pro-Wrestling seine erste eigene Show ab. Toyonobori, mit dem er zuvor keinen Erfolg hatte, trat ebenfalls bei dem Debüt von New Japan in den Ring - er sollte jedoch später keine Rolle bei New Japan spielen. Wenige Monate später - im Oktober - trennte sich auch Baba von der JWA, um ebenfalls eine eigene Promotion zu gründen. Das Debüt von All Japan Pro-Wrestling fand am 21.10.1972 im Machida City Gymnasium in Tokyo statt. Knapp ein Jahr nach der Gründung von New Japan und dem Verlust der beiden wichtigsten Stars (Inoki und Baba) musste JWA den Betrieb am 20.04.1973 nach fast 20 Jahren an der Spitze des japanischen Wrestlings einstellen. Der Verlust von Inoki und Baba war der zweite ganz große Schlag für JWA. Ein größeres übel ereignete sich am 08.12.1963 in einem Tokyoter Nachtclub. Rikidozan, der 1963 mehrere Nachtclubs und Apartmentkomplexe besaß, wurde von einem Kleingangster in einem Toilettenraum konfrontiert (bis heute ist es nicht eindeutig geklärt, ob es sich bei dem Angreifer lediglich um einen "kleinen Fisch" handelte, oder ob dieser Mann Verbindungen zur berüchtigten Yakuza, der japanischen Mafia, hatte). Mit seiner Expansion in die "Unterhaltungsindustrie" machte sich Rikidozan Feinde unter denen, die diesen Bereich bisher kontrollierten. Rikidozan schreckte vor den Drohungen des Kleingangster nicht zurück, woraufhin ein Kampf ausbrach, der durch ein Messerstich entschieden wurde. Rikidozan wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, wo seine Verletzung behandelt wurde. Entgegen der Ratschläge der ärzte verließ Rikidozan das Krankenhaus kurz darauf wieder. Die Wunde entzündete sich, was wenige Tage später, am 15.12.1963, zum Tod des 39-jährigen Rikidozan führte. Der Tod Rikidozans trat eine Welle des Entsetzens los. Denn eines seiner am besten gehüteten Geheimnise drang an die öffentlichkeit: Die japanische Bevölkerung erfuhr, dass Rikidozan aus Korea stammte - Koreaner galten zur damaligen Zeit als Menschen zweiter Klasse. Da Rikidozan durch seine Siege gegen amerikanische Wrestler in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vom Volksheld avancierte, war es für das japanische Volk ein schwerer Schlag, dass sie ausgerechnet einem Koreaner zujubelten. Dies, gepaart mit anderen bisher geheim gehaltenen Informationen über das Pro-Wrestling, brachte den Wrestling Boom beinahe komplett zum Erliegen (Wrestling galt vor dem Zwischenfall als echte Sportart, jedoch erfuhren die Japaner kurz darauf, dass die Ausgänge abgesprochen sind). Im Gegensatz zum Verlust von Inoki und Baba erholte sich die JWA von dem Tod Rikidozans, der später als "Vater des Puroresu" in die Geschichte einging.
Anders als die großen US Ligen (zur Zeit WWE, früher auch WCW) werden Events in Japan in der Regel nicht das ganze Jahr hindurch veranstaltet. WWE zeichnet das ganze Jahr über mindestens 2 TV Shows pro Woche auf und veranstaltet zudem noch mehrere Houseshows in der Woche. In Japan sieht der Veranstaltungskalender anders aus, da in einem so genannten Tour-System veranstaltet wird. Solch eine Tour kann zwischen einer und vier Wochen andauern (oder sogar auch länger). Dabei werden einzelne Shows für eine spätere TV Ausstrahlung aufgezeichnet, oder ggf. live übertragen, was allerdings kein Standard ist. Alle nicht fürs TV aufgezeichneten Shows sind - wie in den USA - Houseshows. Nach einer Tour folgt eine Ruhepause, die ebenfalls in der Länge variieren kann. Zwei, drei oder vier Wochen sind dabei oftmals Standard. Gelegentlich finden zwischen solchen Pausen weitere Events statt, so genannte "Stand Alone Shows". Im Gegensatz zu einer Tour, die mehrere Shows umfasst, handelt es sich bei einer "Stand Alone Show" nur um ein einzelnes Event. Die Bedeutung der "Stand Alone Shows" ist unterschiedlich, so gibt es gelegentlich Shows, die nur vor einigen Hundert Zuschauern ausgetragen werden, aber auch welche, die in riesigen Domes veranstaltet werden (z.B. das New Japan Tokyo Dome Event im Januar eines jeden Jahres).
5. Wrestling in den japanischen Medien Wrestling hat in den japanischen Sportzeitschriften seit jeher einen festen Platz. Die unzähligen Magazine berichten regelmäßig über die neusten Shows und das aktuelle Geschehen. Ob reines Wrestling Magazin oder allgemeine Sportzeitschrift spielt dabei keine Rolle - Pro-Wrestling ist überall vertreten. Obwohl den Japanern bewusst ist, dass es sich beim Pro-Wrestling um eine "abgesprochene Sportart" handelt, wird das Wrestling trotzdem so behandelt, wie alle anderen Sportarten auch. Wrestling wird von der breiten Masse akzeptiert und respektiert - was in der westlichen Medienlandschaft fast undenkbar wäre, ist in Japan Normalität. Die starke Medienpräsenz des Pro-Wrestling wird jedoch nicht nur die die Berichterstattung in der Tageszeitung verdeutlicht, sondern auch bei den Veranstaltungen selbst. Eine Vielzahl mit Fotoapparaten ausgestatteter Journalisten flitzen bei den Veranstaltungen um den Ring, um die besten Schnappschüsse für ihre Zeitschrift/Webseite zu machen. So etwas kennt man aus dem amerikanischen Wrestling so gut wie gar nicht. Ebenso gut besucht sind die regelmäßig stattfindenden Pressekonferenzen (die man in gewisser Weise mit den In-Ring Statements im amerikanischen Wrestling vergleichen kann, da solche Pressekonferenzen u.a. auch für Herausforderungen und dergleichen genutzt werden); so besuchten beispielsweise über 100 Reporter und Fotographen die Pressekonferenz von Mitsuharu Misawa am 16.06.2000, als er bekannt gab, dass er zusammen mit dem Großteil des All Japan Rosters eine neue Promotion gründen wird.
Wrestling im TV Was in Deutschland oder in den USA kaum vorstellbar ist, ist in Japan Realität - Wrestling wird fast rund um die Uhr übertragen, in der Regel sogar auf den größten japanischen TV Sendern wie NTV (Nippon TV), TV Asahi, TV Tokyo, TBS (Tokyo Broadcasting System) und Fuji TV. Neben diesen großen Sendern gibt es weitere Übertragungsanstalten wie GAORA TV, J Sports ESPN und Samurai! TV, die ebenfalls sehr umfangreich über Pro-Wrestling berichten. Vor allem Samurai! TV sticht dabei hervor, da sich der Sender auf Kampfsportübertragungen spezialisiert hat. Dort laufen beinahe alle Wrestling und MMA Organisationen Japans...und das rund um die Uhr! Außerdem gibt es die Pay-Per-View Anbieter "SKY PerfecTV! PPV" und "Perfect Choice PPV", der mittlerweile immer häufiger Wrestling Shows live übertragen. Allerdings ist der Pay-Per-View Markt in Japan keineswegs mit den USA - oder selbst Deutschland - zu vergleichen. Die größten und wichtigsten Shows laufen nach wie vor im frei empfangbaren TV - und dabei sind die Gebühren für einen Pay-Per-View vergleichsweise billig. Die in den USA und Europa vorherrschende Überzeugung, eine große Show müsse auch ein Pay-Per-View sein, gilt also in Japan nicht, denn große Shows werden verhältnismäßig selten als Pay-Per-Views angeboten.
6. Die Bedeutung japanischer Wrestling Gürtel Wrestling Championships haben in Japan eine hohe Bedeutung. Die wichtigen Titel werden von ihren Champions in der Regel alle 4 bis 8 Wochen verteidigt (manchmal liegen sogar noch längere Abstände zwischen zwei Title Matches). Da die großen Titel wie NOAHs GHC Heavyweight Title, All Japans Triple Crown oder New Japans IWGP Heavyweight Title nur rund 5-10 Mal pro Jahr ausgekämpft werden, sind die Matches sowohl für die Zuschauer, als auch für die Wrestler selbst, sehr wichtig. Die Fans bekommen ein Spektakel wie ein Heavyweight Title Match nicht alle Tage geboten, sondern eben nur eine handvoll Mal pro Jahr (auf eine Promotion bezogen) und auch die Wrestler sind stark gefordert, da eine Niederlage in einem Title Match bedeutet, dass sie viele Monate auf einen neuerlichen Championship Kampf warten müssen. Teilweise wird die Bedeutung der Championship durch riesige Trophäen unterstützt, die der Sieger eines Title Matches neben dem Championship Gürtel und einem schriftlichen Dokument des Kampfes erhält. Solche Zusätze verleihen einem Title Kampf einen noch besonderes Erscheinen. Auffällig ist zudem, dass viele Ligen ihre Titel nicht nach dem Namen der Promotion benennen. IWGP (New Japan), GHC (NOAH), WWWA (AJW), AAAW (GAEA), ODG (Open the Dream Gate; Dragon Gate), WMG (World Magma the Greatest; World Japan) um nur ein paar zu nennen. Diese Tradition hat verschiedene Hintergründe. Zum einen haben viele Promotions seit jeher eigene Komitees gegründet - ähnlich dem NWA Championship Komitee -, um ihren Championships eine größere Glaubwürdigkeit zu verleihen (z.B. New Japan und NOAH). Zum anderen sind aufgrund der großen Vergangenheit des NWA Heavyweight Title die Championships der NWA in Japan sehr hoch angesehen. Auch der NWA International Title, den Rikidozan in Japan etablierte und der später von Giant Baba verteidigt wurde, hat den Mythos NWA in Japan den letzten Schliff verliehen, sodass selbst heute noch viele Organisationen NWA Championships auskämpfen und regelmäßig neu erschaffene NWA Gürtel einführen. Besonders interessant ist die Situation bei All Japan Pro-Wrestling, wo im März 1973 der PWF (Pacific Wrestling Federation) Heavyweight Title (heute Teil der Triple Crown) und im April 1984 die PWF Tag Team Title (heute Teil der AJPW World Tag Team Title) eingeführt wurden. Obwohl es die PWF als Liga nie gegeben hat, wird sie von All Japan als solche behandelt. Seit seinem Rücktritt vom aktiven Wrestling 2001 bekleidet Wrestling Legende Stan Hansen das Amt des PWF Präsidenten, der im Rahmen seines Amtes jedes Triple Crown Match sanktioniert. Allgemein haben amerikanische Titel einen sehr hohen Stellenwert in Japan. Nicht nur die Gürtel der NWA oder der WWF/E werden als wichtige Titel anerkannt, sondern auch kleinere Independent Titel wie der Heavyweight Title von WLW (World League Wrestling), der Promotion von Harley Race, der vom Dezember 2003 bis zum Juni 2004 bei NOAH "beheimatet" war, oder auch der MLW Heavyweight Title, den All Japans Satoshi Kojima zwischen September 2002 und Juni 2003 gleich mehrfach in Japan verteidigte, werden von der Öffentlichkeit anerkannt. |
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